AB-EX

Von Anders Kold für Sofie Bird Møller

Der amerikanische Abstrakte Expressionismus – im Fachjargon Ab-Ex genannt – gilt zweifellos
als die (in ihrer Blütezeit) am meisten gefeierte und (später) als die am geringsten geschätzte
Stilart der Nachkriegskunst. Der Einfluss dieser Haltung ist in der Tat so stark, dass
man heute, nach einem halben Jahrhundert, immer noch ungestraft kritisch über diesen Stil
sprechen kann. Auch die Malerei selbst hat in Theorie und Praxis diese Skepsis und den
Widerstand gegenüber dem Expressiven als Norm übernommen. Mit anderen Worten: in
dieser Malerei finden wir nicht das Vokabular und das Abbild der als schön empfundenen
gegenständlichen Malerei mit ausgearbeitetem Vorder-, Mittel- und Hintergrund, es wird
uns aber dennoch etwas geboten, das unseren Blick fesselt, uns ins Auge springt. Es überrascht
daher kaum, dass Sofie Bird Møllers Werke diese Haltung sowohl zu perpetuieren als auch
vorauszusetzen scheinen – wie, so möchte man fast fragen, könnte es anders sein?
Daneben lässt sich freilich auch das Konzept üppiger Fülle auf Aspekte des Schaffens der
Künstlerin anlegen. Das gleiche gilt für die lustvolle Hingabe – eine Anspielung auf ein
Element der Verinnerlichung und der Intimität, die durch den physischen und oft direkten
körperlichen Einsatz der Künstlerin bei der Schaffung ihrer Werke als eine Art von intimer
Performanz ebenfalls betont wird. Das ist auch der Fall, wenn Dinge eingekerbt und weggekratzt
werden. Das ist es, was wir auf so ungewöhnliche Weise als reizvollen und anziehenden
Anblick dargeboten bekommen und was die Diskussion neu beleben könnte. Doch
darauf lässt sich nicht wetten, hat doch solch eine Herangehensweise – wenn sie mehr beinhaltet
als Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit – keinen Platz im Katalog des großen Warenhauses
der Konzeptkunst. Denn die Übermalungen – und hier mache ich mich einer groben
Verallgemeinerung in Bezug auf das OEuvre schuldig – können durchaus als Gruppe ausgestellt
werden, doch haben sie niemals, wie die Werbung und die Konzeptkunst dies streng
genommen tun, einer speziellen methodologischen Herangehensweise huldigen oder eine
solche auch nur demonstrieren müssen. Sie sind im Grunde einzigartig und unumkehrbar,
was jegliche übergreifende Kategorisierung schwierig macht. Nach dem Diktat der Praxis
werden sie niemals den Status von Kunstwerken zugesprochen erhalten, die einer Schule zuzuordnen
sind, wenn sie – formal gesprochen – keine Wirkung ausüben. Wir stehen vor einer
Künstlerin angesichts deren Schaffen wir erkennen müssen, dass wir im selben Augenblick,
in dem wir auf irgendeinem Prinzip der Klarheit bestehen, die Tiefgründigkeit unserer
Beob achtung und damit auch die der Werke opfern.
Es ist offensichtlich, dass die Werke sehr rigoros auf der Voraussetzung beruhen, niemals
auf der weißen Leinwand zu entstehen. Ihre formalen Merkmale entfalten sich stets auf der
Oberfläche von etwas Existierendem – so sind sie tatsächlich auf spezielle Weise und in
einem gewissen Maß oberflächlich. Auch ist mit der Entstehung des individuellen Pinselstrichs
keine besondere Mystik verbunden. Meiner Meinung nach würde dieser Farbauftrag
mit Pinsel, Besen oder Körper der gleiche sein, wenn er auf Bilder mit einem pornographischen,
technischen oder botanischen Ausgangspunkt angewandt würde. In dieser Hinsicht
jedenfalls stehen sie irgendwo auf den Schultern der künstlerischen Praxis der 1960er Jahre,
wo „der Künstler das Werk konstruieren kann“ und „das Werk gemacht werden kann“
(Lawrence Wiener, 1969). Handelt es sich aber um ein grundlegend syntaktisches Problem,
wenn die Werke in ihrer extravaganten Schönheit gleichzeitig fast frivol erscheinen? Nur
wenn ihr raison d’être von ihrer Fähigkeit abhängt, die Malerei ihrer Aura zu entkleiden oder
ihres Odems zu berauben und die Verbindung zu dem materiellen Überschwang aufrecht zu
erhalten. Übrigens glaube ich nicht, dass der Betrachter tief in die Materie eindringen muss,
um festzustellen, dass die Werke auch nicht feministisch motiviert sind – ungeachtet der
Gegenüberstellungen, Übermalungen, ausgekratzten Partien, Umformulierungen und
möglicher neu artikulierter Darstellungen.
Bird Møllers Sinn für die Oberfläche ist im Vergleich zu den Dichotomien, die den meisten
Gedanken und Aussagen über die zeitgenössische Malerei zugrunde liegen, weit radikaler.
Wie man diese aufrührerische Fähigkeit umsetzt, die Bilder ihres Plots – also ihres narrativen
oder funktionalen Gehalts – zu entkleiden, ist in diesem Kontext weniger entscheidend.
Gleichzeitig denke ich, dass es im Wesen dieser Werke liegt, die Aufmerksamkeit des Betrachters
zwischen diesem Unsichtbaren und einer pointierten Stofflichkeit festzuhalten.