Die Kunst geht aus den Museen

Von Peter Volkwein für Lars Koepsel


Die Kunst geht aus den Museen

Bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts hatte die bildende Kunst die Aufgabe, mimetisch die reale Welt abzubilden. Auftraggeber waren bis dato der Adel, die Kirche und das aufstrebende, wohlhabende Bürgertum. Mit zunehmender Liberalisierung bestehender Gesellschaftsformen, zu der die Industrialisierung keinen unwesentlichen Beitrag geleistet hat, entstand auch in der Künstlerschaft der Wunsch nach Unabhängigkeit. Kunst wollte nicht mehr nur beschränkt sein auf perfektes handwerkliches Können, sondern der geistige Schöpfungsakt als Ausdruck kreativen Denkens stand im Vordergrund. Eine wesentliche Hilfe dazu leistete die gerade erfundene Photographie, die wie kein anderes Medium die Wirklichkeit wiedergab und somit die bildende Kunst von ihrer mimetischen Aufgabe befreite. Damit ging ein grundlegender Strukturwandel in der Sicherung der Lebensbedürfnisse der Künstler einher.
Mit dem Aufkommen der neuen gegenstandslosen und abstrakten Kunst rückten die alten Auftraggeber in den Hintergrund. An deren Stelle trat nun ein sich immer stärker etablierender Kunstmarkt, Sammler, Mäzene und Museen. Um den Marktwert zu steigern mußte sich nun die Künstlerschaft bemühen, die Aura musealer Präsentation zu erreichen. Akademisierung und Geniekraft steigerten in hohem Maß das soziale Prestige des Künstlers. Ein dementsprechender Zulauf zum Künstlerberuf war die Folge. Um am Kunstmarkt zu überleben mußte man sich spezialisieren.
Die Künstlerschaft konnte in scheinbar immer größerer Unabhängigkeit von Auftraggebern und Marktabnehmern für Museen und Ausstellungen produzieren. Aus dem Streben der Kunst nach Musealität hat die Moderne den Autonomieanspruch der Kunst entwickelt. Dieser Autonomieanspruch wird aber immer wieder von der Realität und der Marktabhängigkeit der Künstler eingeholt. Die Finanzierung der künstlerischen Produktion bringt den Künstler immer wieder in die Abhängigkeit vom Markt oder Auftraggeber. Selbst staatliche Künstlerförderung und Ausbildung oder Ankäufe durch die Museen verändern nur unwesentlich diese Abhängigkeit. Die Künstler selbst haben diese wiedersprüchliche Realität am deutlichsten gespürt und haben sich selbst in den letzten Jahrzehnten Aufgaben außerhalb der Museen gesucht, um so die Einschränkung der Autonomie der Kunst durch die Musealität zu überwinden. Es entstanden Kunstrichtungen wie Happening und Fluxus, Performance und Aktionskunst, Konzept-Kunst und Mail-Art, Landart und Kunst in der Landschaft.
Der letzteren Gruppe ist Lars Koepsels künstlerische Aussage zuzuordnen. Sein Projekt KOMM ist global angelegt. Die Inspiration erfolgte als er das Wort KOMM (chin. [img src="http://www.larskoepsel.de/bilder/komm_zeichen.jpg" width="16" height="12">) während einer Performance tanzte. das daraufhin entstandene Projekt wurde bisher viermal in Deutschland ausgeführt und soll nach und nach in verschiedenen Ländern, der jeweiligen Position angepasst, realisiert werden. Hier im Ta-An Park in Taipei sind ca. dreitausend Bäume mit dem Schriftzug  in den verschiedensten Größen beschriftet.
Die Beschgriftung erfolgt mit natürlichen Materialien, die weder die Umwelt belasten noch die Bäume in irgendeiner Art und Weise verletzen. Je nach Wetterlage verschwinden die Zeichen wieder. Lars Koepsel schreibt dazu in seinem Konzept:
"Durch die räumliche Begrenzung ( hier in der Form eines einzigen großen  welches über dem gesamten Ta-An Park liegt) entsteht der Eindruck, daß die beschrifteten Bäume an dieser bestimmten Stelle aus der Erde und aus sich heraus die Kraft entwickelt haben sich zu äußern. Das KOMM () ist in diesem Sinne eine Übersetzung, beziehungsweise Lesbarmachung dieser Energie. Mit dem langsamen Verblassen des Schriftzugs zieht sich der Baum wieder in sich zurück. Beim Betrachter bleibt also nicht die Materialität im Sinne einer dauerhaften Präsenz, die er sich immer wieder holen kann. Es bleibt nach dem Verschwinden der Schrift nur der Prozess und das eigene Erleben als Auslöser, der die gedankliche Entwicklung und Ausformung in Gang setzen kann". 
Diese Werkgruppe von Lars Koepsel kann mit Fug und Recht als autonomes Kunstwerk bezeichnet werden. Es wird niemals durch die Aura musealer Präsentation beschränkt sein, ebenso ist es unabhängig vom Kunstmarkt und seinen Mechanismen. Lars Koepsel hat die Vergänglichkeit selbst zum Kunstwerk gemacht.

Peter VolkweinMuseum für konkrete Kunst
Ingolstadt