"KOMM"

Von Huang Hei-Ming für Lars Koepsel


Begegnung und Kommunikation

Eine Alternative, Form und Denken zu kreieren, in Kunst im öffentlichen Raum und in der Land-Art


Der Ausgangspunkt

Vor zwei Jahren, 1997, fand im Bamboo Curtain Studio in Taipei die Austellung "Meeting under the autumn moon", kuratiert von Felix Schöber und Margaret Shiu Tan, statt. Dort begegnete ich zum erstenmal der Arbeit von Lars Koepsel. Seine Mondlichtzeichnungen, die dort in einer großräumigen Installation mit Diaprojektoren und Wasserbecken zu sehen waren hinterließen einen starken Eindruck bei mir. Der Grund dafür liegt nicht nur darin, daß sich durch die Wasserspiegelungen schier unendliche Variationen der Lichtzeichnungen entwickeln, sondern auch, daß die ideelle und spirituelle Beziehung zwischen Mensch und Mond, die eine philisophische Ebene beschreibt, mit Hilfe einer materialgebundenen, technischen Methode vermittelt wird. Wenn Lars Koepsel im Mondlicht tanzt, hat er eine Kamera am Körper befestigt und entdeckt auf diese Weise das wirklich unvergleiche Potenzial des Mondlichtes. Eine kurzzeitige fast symbiotische Beziehung, die während des Tanzes entsteht, wird mit Hilfe der Kamera dokumentiert, eine Beziehung, die von vertrauter Begegnung und stillem Dialog erzählt.
Vor kurzem, als ich auf der internationalen Steinskulpturenausstellung in Hualien war, habe ich eine gegenteilige Erfahrung gemacht. Die dichten Menschenmassen zwischen den Skulpturen zeichneten ein seltsames Bild. Die gedrängte Nähe zwischen Skulptur und Mensch verhinderte die intensive Betrachtung und Kommunikation. Dieses Phänomen taucht in den letzten Jahren in Taiwan immer öfter auf, seit die sogenannten Kunstfestivals populär geworden sind. Kunst=Event=Jahrmarkt. Diese drei Begriffe sind hierfür zum Synonym geworden. Die Beziehung bzw. Kommunikation zwischen Mensch und Werk wird zur Nebensache. Hier nun möchte ich in die aktuelle Arbeit von Lars Koepsel einsteigen, dem es im Gegensatz dazu gelingt, mit diesem auf seine Weise sehr unaufdringlichen, zurückhaltenden "[img src="http://www.larskoepsel.de/bilder/komm_zeichen.jpg" width="16" height="12">" (sprich: lai) im Ta-An Park die Aufmerksamkeit der Besucher zu wecken.

"KOMM" eine Analyse

Wie ist die Wirkung des Wortes [img src="http://www.larskoepsel.de/bilder/komm_zeichen.jpg" width="16" height="12"> (komm), das so unaffällig auf den Bäumen im Ta-An Park auftaucht? Wie kann ein Zeichen, das ohne überwältigende Präsenz auskommt, in seiner Schlichtheit den Betrachter anziehen? Der Sinn dieser Darstellung läßt sich weder auf die rein visuelle Darstellung noch auf die reine Wortbedeutung reduzieren. Durch die Sichtbarmachung eines natürlichen Kraftfeldes stellt Lars Koepsel in seiner Arbeit die Verbindung von Mensch und Natur auf eine neue Ebene, wobei er als Übersetzer fungiert. dabei wird nicht der Versuch einer Deklaration oder Zuordnung (Mensch oder Natur) unternommen. Diese Arbeit kommt ohne solche offensichtliche Präsenz aus. Der eigentliche Schwerpunkt liegt meines Erachtens im Schaffen von Verbindungen. Der Künstler fungiert hier als stiller Vermittler; er stellt einen Dialog zwischen getrennten Seiten her. Der Künstler ermöglicht und aktiviert durch diesen minimalen Eingriff eine Verbindung, die im Laufe der Kulturentwicklung immer weiter in den Hintergrund getreten ist. Durch die Verwendung natürlicher Materialien (Kreide, Erdpigmente, Kasein und Bier als Bindemittel) ist gewährleistet, daß der Natur durch die Kunst nicht erneut Schaden zugefügt wird.
Die Arbeit, unter Verwendung eines lautlosen visuellen Symbols, erfährt eine absolute Harmonisierung mit ihrer Umgebung. Sie wird so auch von den Besuchern oft nur zufällig entdeckt und dann eine Art von innerer Sensibilität erweckt, die nach dem vergehen der Arbeit als spiritueller und geistiger Eindruck zurückbleibt.
"KOMM" ist eine Aufforderung ohne Erwartung. Anfangs in der Experimentierphase der Arbeit beschriftete Lars Koepsel auch Menschen. Bei den beschrifteten Menschen entstand aber der Eindruck, als seien sie zu einer Art Isolation verurteilt. Mit den Bäumen fand er schließlich ein Medium, das mit diesem Ruf auf völlig natürliche Weise ein Fenster öffnet, durch das der Blick in die Substanz des Lebens möglich wird. Oft wird in der Kunst eine andere Form des Dialoges gewählt. Mit provokativem Inhalt und starken, blendenden Medien wird versucht, die Betrachter zu erschüttern. So wie in der zeitgenössischen Medienwelt wird dadurch oftmals die Umkehrung erzielt. Die Wahrnehmungsfähigkeit des Rezipienten wird überstrapaziert und somit oftmals in eintscheidendem Maß geschwächt. Im Gegensatz dazu bietet das Werk von Lars Koepsel eine andere Perspektive an. Der Betrachter erhält keinen sofortigen Service im Sinne einer vereinfachter Konsumierbarkeit des Kunstwerkes.

Die Aktivität des Betrachters

Die Aktivität des Betrachters und die Interaktion mit dem Kunstwerk sind zwei verschiedene Gebiete. Weil ein großer Teil des Publikums eine möglichst leichte Kommunikationsform nutzen möchte, wird eine Form von Interaktion reproduziert, in der Kunstwerke die Aufgabe haben, wie Spielzeuge die Zuschauer zu befriedigen. Aber muß diese Kommunikationsform deshalb allgemeingültig oder etwa wahr sein? Sollen sich die Künstler und mit ihnen die künstlerischen Konzepte dieser sogenannten Allgemeingültigkeit und Wahrheit unterwerfen?


Ein Fazit

Lars Koepsel zeigt in seiner Arbeit auch einige Probleme zeitgenössischen Kunstschaffens auf. Wie steht es beispielsweise mit der Beziehung zwischen dem Objekt der Arbeit und dem Selbst des Menschen? Dies ist ein drängendes Problem für Künstler und insbesondere für jene, die sich mit Kunst im öffentlichen Raum, Land-Art, Kunst in der Landschaft oder noch offenen Kunstbegriffen auseinandersetzen.
Auch für die Konsumenten der Kunst und die Kunstrezipienten stellen sich neue Aufgaben. Die Chance ist da, über die Offenheit , die Lars Koepsels Arbeit bietet, auf einen Weg zu kommen, daß Rezeption nicht nur Nehmen d.h. Konsumieren ist, sondern auch eine Dimension des Kreierens beinhaltet. 

Huang Hei-Ming